Von der Vision zur Wirklichkeit

In seinen letzten Lebensjahren füllte Dunant in seinem Zimmer in Bezirksspital 17 Hefte mit Zukunftsvisionen - Gedanken über die wirtschaftliche und politische Situation weltweit. Er sah die Zukunft düster und beschrieb eine von Kriegen und Krisen erschütterte Welt des 20. Jahrhunderts. In vielfacher Hinsicht hat Dunant damit Recht behalten. Trotzdem steht die Welt durch all die internationalen Abkommen, die zu einem beachtlichen Teil auf Dunant zurückgehen, besser da als noch vor hundert Jahren.
Neutralität zu Lande und zu Wasser
Gemälde - Seenot
Henry Dunant gab den Anstoß dazu, die Krankheitsforschung voranzutreiben, und zwar sollte dies weltweit und zum Vorteil aller Menschen geschehen.

Was daraus wirklich wurde:

Die Weltgesundheits-organisation (WHO) der UNO stellt die betreffende Organisation in Dunants Sinn dar. Sie hat seit dem Zweiten Weltkrieg in allen Erdteilen, besonders für die Entwicklungsländer, grosse, und erfolgreiche Forschung- und Aufklärungsarbeit geleistet.
Gefangenenhilfe
Gefangenenhilfe in Guantanamo
Ebenfalls in der Pariser Zeit verlangte Dunant, dass den Rotkreuzkomitees durch einen zusätzlichen Artikel der Genfer Konvention das Recht eingeräumt wird, "sich um die Kriegsgefangenen zu kümmern, für ihre Heimschaffung zu sorgen, das Erforderliche zu veranlassen, was sie zur Erhaltung ihrer Gesundheit brauchen hinsichtlich der Ernährung, der Kleidung und der Unterkunft, und dafür zu sorgen, dass die Gefangenen mit ihren Familien Briefe wechseln können". Im Februar 1874 wurde Henry Dunant zum Internationalen Sekretär der Gesellschaft für die Verbesserung der Bedingungen der Kriegsgefangenen ernannt.

Was daraus wirklich wurde:

Die Forderung Dunants wurde 19 Jahre nach seinem Tode durch die Genfer Konventionen von 1929 erfüllt. Heute im Genfer Abkommen III von 1949 geregelt.
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Forschung
Henry Dunant gab den Anstoß dazu, die Krankheitsforschung voranzutreiben, und zwar sollte dies weltweit und zum Vorteil aller Menschen geschehen.

Was daraus wirklich wurde:

Die Weltgesundheits-organisation (WHO) der UNO stellt die betreffende Organisation in Dunants Sinn dar. Sie hat seit dem Zweiten Weltkrieg in allen Erdteilen, besonders für die Entwicklungsländer, grosse, und erfolgreiche Forschung- und Aufklärungsarbeit geleistet.
Schutz der Arbeiterschaft
Karte - Arbeiterschaft
Henry Dunant setzte sich sehr mit dem Befreiungskampf der Sklaven in Nordamerika und dem Schutz der Arbeiterschaft auseinander. Es war ihm ein großes Anliegen, "dass ohne große Umwälzungen die wirtschaftliche und soziale Versklavung allmählich abgeschafft wird."

Was daraus wirklich wurde:

1948 stellte das Internationale Arbeitsamt in Genf Grundsätze für die Besserung der sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft auf, die in allen Erdteilen wirksam geworden sind.
Internationale Weltbibliothek
Weltbibliothek - Wikipedia
Dunant schlug die Bildung einer internationalen Weltbibliothek vor. Er wollte damit erreichen, "dass alle Völker über das geistige und künstlerische Schaffen der anderen unterrichtet werden; die Völker lehren, einander besser zu verstehen, und wenn dies erfolgt ist, einander richtig zu beurteilen". Er hoffte, dass durch die Beseitigung von Vorurteilen Sympathien zwischen den Völkern entstehen würden und so der Friede erleichtert werden könnte. 1871 gründete Henry Dunant den "Weltbund für Ordnung und Bildung" und begann Verhandlungen über Autorenrechte zu führen.

Was daraus wirklich wurde:

Das Projekt versandete zu Dunants Zeiten wegen "Kleinstaaterei und Nationalismus", wie er selber formulierte. Viele Jahre später nahm die Unesco das "Ost-West-Programm" auf. Es dient dem besseren Verständnis der Kulturen und damit indirekt dem Frieden der Völker. Wikipedia könnte man als Projekt im Sinn Dunants bezeichnen.
Weltallianz für Ordnung und Zivilisation
Den Haag
In Paris erlebte Henry Dunant mit dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/1871) und dem Bürgerkrieg in Paris zum zweiten Mal die Schrecken des Krieges. Trotz seiner misslichen persönlichen Lage gründete er am 21. September 1870 zusammen mit einigen Freunden eine Gesellschaft, die Verbesserungen zum Nutzen der ganzen Menschheit schaffen sollte. Als wichtigste Verbesserung wurde die Errichtung eines internationalen Schiedsgerichts angestrebt, dem alle Streitfragen vorgelegt werden könnten, die so ernst sind, dass sie zu einem großen Krieg führen könnten.

Was daraus wirklich wurde:

Die von Dunant vorgeschlagene Weltallianz war der Vorläufer der heutigen UNO und wurde durch sie Wirklichkeit. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag arbeitet seit 2003, wobei bereits seit 1921 ein internationales Schiedsgericht am selben Ort bestand. Er ist zuständig für die Tatbestände Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Das Gericht kann nur über Individuen und nicht über Staaten entscheiden.
Palästinafrage
Foto - Palästina
In der Zeit seiner grossen Not in Paris konnte Dunant Übersetzungsarbeiten für die "Tempelgesellschaft" machen (hervorgegangen aus der 1856 in Stuttgart gegründeten evangelischen Bewegung der "Jerusalemfreunde"). In diesem Zusammenhang gründete er die "Internationale Palästina-Gesellschaft". Als deren Präsident wollte er mit Hilfe der französischen Kaiserin Eugenie (Gattin Napoleons III.) europäischen Juden in Palästina Land zurückgeben.

Was daraus wirklich wurde:

Diese Vision erfüllte sich nicht im Sinn von Dunant. Zwar wurde den Juden am 29. November 1947 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen (heute UNO) in Westpalästina Land zugesprochen, was zur Gründung des Staates Israel führte. Der Nahostkonflikt ist hingegen bis heute immer noch ungelöst.
Grünes Kreuz / Green Cross
Foto - Hospital
In dem gemeinsamen Buch von Rudolf Müller und Henry Dunant, die "Entstehungsgeschichte des Roten Kreuzes und der Genfer Konvention" von 1895, erwähnte Dunant zum ersten Mal das  "Grüne Kreuz", das Heime, Hospitäler und Ambulanzen für Arbeiterinnen schaffen sollte, die finanzielle Unterstützung, einen Ort der Erholung oder medizinische Hilfe brauchten.

Was daraus wirklich wurde:

Um dieses Anliegen kümmerten sich wenig später Frauenorganisationen. In Berlin entstand um 1908 ein Hospiz für Frauen - häufig ausgebeutete Dienstangestellte -, die unehelich ein Kind gebaren und gesellschaftlich geächtet wurden. In der Schweiz wurde 1908 der Mütter- und Säuglingsverein Inselhof gegründet, anfangs mit ähnlichen Zielsetzungen. Dort konnten die jungen Mütter auch einer geregelten Arbeit nachgehen, während ihre Säuglinge betreut wurden. Die Organisation "Green Cross" mit dem entsprechenden, grünen statt roten Emblem wurde 1992 von Michail Gorbatschow anlässlich einer UNO-Konferenz als sogenanntes "Rotes Kreuz der Umwelt" eingefordert. 1994 erfolgte die Gründung der ersten fünf nationalen Organisationen, darunter Green Cross Schweiz, USA und Russland. Green Cross soll bei Umweltkatastrophen weltweit rasch und unkompliziert helfen und sich für die Bewältigung der Folgeschäden aus Industrie- und Militärkatastrophen und die Sanierung von Altlasten aus der Zeit des Kalten Krieges einsetzen.
Gleichstellung der Frauen
Foto - Frauenrechte
Für Dunant war die Gleichberechtigung der Frauen ein wichtiges Anliegen. Er wollte dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben und auch das gleiche verdienen. 1893 arbeitete er an der Durchführung eines Frauenkongresses in Zürich, der aber nicht zustande kam.

Was daraus wirklich wurde:

Das Anliegen wurde 1902 in Brüssel von anderer Seite erneut aufgenommen. Seit 1950 ist das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts in der europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben. Seit 1980 besteht auf dieser Basis das völkerrechtlich verbindliche "Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" mit bislang 184 Signatarstaaten. Auch in Deutschland bestehen teils immer noch Lohnunterschiede, nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern auch zwischen Ost- und West-Deutschland.

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Es ist unglaublich, worüber Dunant alles nachdachte und was er - seiner Zeit weit voraus - vorwegnahm.